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Johann Dryander (Johann Eichmann oder Eychmann, gräzisiert Johannes Dryander,* 27. Juni 1500 in Wetter; † 20. Dezember 1560 in Marburg) war ein deutscher Anatom, Arzt, Mathematiker und Astronom sowie Lehrstuhlinhaber für Medizin in Marburg. Bekannt wurde er in der Medizingeschichte durch seine frühen Sektionen im deutschsprachigen Raum. Er führte 1535 die erste wissenschaftliche Leichenöffnung in Hessen durch.

Darstellung aus Jean-Jacques Boissards Bibliotheca chalcographica (1597)
Darstellung aus Jean-Jacques Boissards Bibliotheca chalcographica (1597)

Leben


Dryander studierte seit 1518 an der Universität Erfurt und wurde Famulus des Mediziners Euricius Cordus. Anschließend setzte er seine Studien in Bourges und von 1528 bis 1533 in Paris fort. In Paris hielt er Vorlesungen über Mathematik und Astronomie. Er nahm an mehreren Öffnungen von Leichen teil. Nach der medizinischen Promotion 1533 in Mainz[1] oder Paris[2] wurde er Leibarzt des Erzbischofs Johann von Metzenhausen in Koblenz und Trier. Der Koblenzer Stadtarzt Konrad Nyder († nach 1546)[3] behauptete 1534 in einem Brief an Erasmus von Rotterdam, „Johannes Eychman alias Driander“ führe den Doktortititel unberechtigterweise (falso utitur nomine doctoris).[4] 1535 wurde Johann Dryander zum Professor für Mathematik und Medizin an der Universität Marburg ernannt, wo er (1536?) den Lehrstuhl für Mathematik und später den medizinischen erhielt. Dort wurde er auch mehrmals zum Rektor der Hochschule bestellt.

Johann Dryander trat für die Medizinalreform der Landgrafschaft Hessen-Kassel ein und führte 1539 die Leprosenschau ein. In Marburg hielt er insgesamt vier Lehrsektionen (1. Juni 1535, 1. März 1536, erstes Halbjahr 1539 und im Jahr 1558) ab, die zu den frühesten in Deutschland gehören.[5] Er praktizierte als Arzt 1539 an den Landesspitälern Kloster Haina und Kloster Merxhausen. Seine dabei ermittelten Kenntnisse veröffentlichte Johann Dryander darüber hinaus als einer der ersten Fachbuchautoren in mit Holzschnitten illustrierten Lehrbüchern. Einige der in seinen Büchern enthaltenen Holzschnitte stammen von dem Kupferstecher und Maler Hans Brosamer.[6] 1536 und 1537 veröffentlichte er anatomische Lehrwerke, die auf den in Marburg durchgeführten Sektionen beruhende Abbildungen enthalten und noch vor den berühmten Tabulae anatomicae sex (1538) des Andreas Vesalius erschienen sind (In einer Publikation von 1541 benutzten Dryander und sein Herausgeber Egenolff jedoch auch Abbildungen Vesals).[7] Als Astronom tat sich Johann Dryander als Verfasser viel benutzter Lehrbücher mit Beschreibungen und Verwendung von astronomischen Instrumenten hervor. 1538 erschien sein bedeutendes astronomisches Werk Astrolabii canones brevissimi.

1554 floh er vor der in Marburg grassierenden Pest nach Frankenberg (Eder). Dabei nahm der als Sommelier bekannte Professor zwölf Zentner in Fässern gelagerten Weins für den eigenen Gebrauch mit.

Johann Dryander veranlasste 1557 den Druck der allgemein als erste deutschsprachige Reisebeschreibung Brasiliens geltenden „Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der wilden, nacketen, grimmigen Menschfresser Leuthen in der Newenwelt America gelegen“ des Landsknechts Hans Staden. Graf Philipp II. von Nassau-Saarbrücken verkaufte 1557 dem Marburger Professor der Medizin Dr. Johann Dryander genannt Eichmann und dessen Ehefrau Susanna für 1000 Gulden eine ablösbare Rente von 50 Gulden auf die Kellerei Gleiberg, die nach Dryanders Tod an seine Witwe weiter gezahlt wurde.[8]

Nach seinem Tod 1560 blieb Marburgs einziger medizinischer Lehrstuhl trotz der Bemühungen der Universität um einen Nachfolger für fünf Jahre unbesetzt.[9]


Familie


Johann Dryander war (vor 1538) verheiratet mit Susanna Reichwin († nach 1569)[8] von „Mundbaurn“ (Montabaur)[10] – einer Verwandten (Schwester oder Kusine) des Arztes Simon Reichwein von Montabaur, der um 1535 Dryanders Nachfolger als Leibarzt des Trierer Kurfürsten wurde. Der hessische Vizekanzler Valentin Breul d. Ä. (* um 1500/05; † 1547), der aus einer Lichtenauer Familie stammte und in Allendorf geboren wurde,[11] schrieb am 20. August 1537 ein Vorwort, in dem er Dryander als seinen „freuntlichen lieben Schwager“ bezeichnete.[12] Aus dieser Notiz ist in Unkenntnis der anders lautenden urkundlichen Belege[8] in älterer Literatur fälschlich geschlossen worden, dass Dryanders Ehefrau und Witwe Susanna aus Montabaur mit Nachnamen „Breul“ geheißen habe.[13] Möglicherweise hat Johann Dryander eine erste Ehe mit einer Schwester von Valentin Breul geschlossen,[14] ein Sohn Valentin Dryander wurde um 1530 geboren. Der Vizekanzler Breul war seit 1536 mit Eulalia (Adelheid) Geude († 1552) verheiratet.[15]

Der Sohn Caspar Dryander (1538–1612) heiratete 1580 Felicitas Geltenhauer, eine Tochter von Gerhard Geldenhauer und Schwester von Gerhard Eobanus Geldenhauer. Er war landgräflich-hessischer Zollschreiber (oberster Leiter der Zollverwaltung in Hessen-Rheinfels bzw. Hessen-Kassel). Katharina Dryander (1530–1594), eine Tochter (Schwester?) Johann Dryanders, heiratete um 1544 den Pfarrer Johannes Pincier (1521–1591) in Wetter;[10] sie waren die Schwiegereltern des Gräzisten Friedrich Sylburg. Johannes Pinciers Schwester war mit Eucharius Dryander, einem Bruder Johann Dryanders verheiratet.[16]

Ein vermutlicher Sohn „Henricus Dryander, Wetteranus Hessus“ immatrikuliert sich 1558/59 in Basel, erwarb das Basler Bürgerrecht und wurde Mitarbeiter von Johannes Oporinus.[17]

Die Söhne Valentinus Dryander (erw. 1545–1560) und Johannes Dryander (1540–1584) wurden wie ihr Vater Mediziner. Johannes Dryander d. J. wurde 1579 zum Arzt für die Armen in den Hospitälern Haina und Merxhausen bestellt.[18]


Wappen


Geteilt, oben wachsender Knabe mit je einer Eichel in den erhobenen Händen. Das Wappen findet sich auf dem Epitaphen des Caspar Dryander und seiner Frau Felicitas Geltenhauer[19] und eines ihrer Kinder in der Evangelischen Stiftskirche St. Goar.[20] Unter den weiteren Ahnenwappen Caspar Dryanders findet sich auch das von den Reichwein zu Montabaur geführte Wappen seiner Mutter (Schrägbalken, begleitet von zwei Lilien).[19][21]


Quellen



Schriften



Literatur




Commons: Johann Dryander – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Josef Benzing (Bearb.): Verzeichnis der Studierenden der alten Universität Mainz, Lfg. 2, hrsg. von Präsident und Senat der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Steiner, Wiesbaden 1979, S. 272.
  2. Dryander, Johannes. Hessische Biografie. (Stand: 23. Juni 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  3. Aus Eppingen, studierte wahrscheinlich in Ferrara.
  4. Brief von Conrad Nyder an Erasmus vom 20. Dezember 1534 aus Koblenz. In: Joseph Heinrich Gustav Ernst Förstemann, Otto Günther (Hrsg.): Briefe an Desiderius Erasmus von Rotterdam. (Zentralblatt für Bibliothekswesen. Beiheft 27). Harrassowitz, Leipzig 1904 (Kraus Reprint, 1968), Nr. 215, S. 256 (464)(archive.org).
  5. Rolf Heyers: Dr. Georg Marius, genannt Mayer von Würzburg (1533–1606). (Zahn-)Medizinische Dissertation Würzburg 1957, S. 33 f.
  6. Ralf Kern: Wissenschaftliche Instrumente in ihrer Zeit. Band 1: Vom Astrolab zum mathematischen Besteck. König, Köln 2010, S. 316.
  7. Rolf Heyers: Dr. Georg Marius, genannt Mayer von Würzburg (1533–1606). (Zahn-)Medizinische Dissertation Würzburg 1957, S. 34.
  8. Urkunden „Ehefrau Susanna“ (1557) ,„Susanna Richwins, Witwe des Dr. Johann Eichmann / Dryanders“ zwischen 3. Mai 1557 und 30. Juni 1569; Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (Bestand 166 Amt Gleiberg, Nr. U 260, U 338, U 387, U 431, U 441, U 462 und U 474); Hessisches Staatsarchiv Marburg (Bestand 17 d Landgräflich Hessische Regierung Kassel: Familienrepositur, von Nordeck, Nr. 5; Bestand 257 Samtgerichthof, Nr. E 27).
  9. Rolf Heyers: Dr. Georg Marius, genannt Mayer von Würzburg (1533–1606). (Zahn-)Medizinische Dissertation Würzburg 1957, S. 25 f.
  10. Oskar Hütteroth: Die althessischen Pfarrer der Reformationszeit. N. G. Elwert, Marburg 1966, S. 99 und 263 f.
  11. Neffe von Johann Feige, 1520 immatrikuliert in Erfurt, zunächst Kleriker, als Sekretär des Hofgerichts 1531 immatrikuliert in Marburg, später hessischer Rat, verheiratet mit Alheid (Eyla) Jeude, verw. Orth; Adolf Stölzel: Die Entwicklung des gelehrten Richterthums in deutschen Territorien, Band I. Cotta, Stuttgart 1872, S. 413; Anja Freckmann: Die Bibliothek des Klosters Bursfelde im Spätmittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, S. 66f Anm. 22 (books.google.de; eingeschränkte Vorschau).
  12. Johann Dryander: Ein new Artzney vnnd Practicir Büchlin von allerley kranckheiten. Schumann, Leipzig 1538 (Textarchiv – Internet Archive).
  13. So u. a. Marburger Sippenbuch, Bd. 9, S. 89; noch Dryander, Johannes. Hessische Biografie. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  14. Gerhard Aumüller: Pofessor in Marburg und Leibarzt in Kassel?. In: Irmtraut Sahmland, Kornelia Grundmann (Hrsg.): Perspektiven der Medizingeschichte Marburgs. Historische Kommission für Hessen, Marburg 2011, S. 11–46, bes. S. 28; etwas ungenau: Die Tochter von Gerhard Geldenhauer war die Schwiedertochter, nicht die zweite Ehefrau von Johann Dryander.
  15. Karl Ernst Demandt: Amt und Familie. Eine Soziologisch-genealogisch Studie zur hessischen Verwaltungsgeschichte des 16. Jahrhunderts. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 2 (1952), S. 79–133, bes. S. 92 und 114.
  16. Suzanne Stelling-Michaud (Hrsg.): Le livre du Recteur de l’Académie de Genève (1559–1878) (= Travaux d’humanisme et Renaissance. 33/6), Band VI, Droz, Genf 1980, S. 368.
  17. Gerhard Krause (Bearb.): Andreas Gerhard Hyperius Briefe 1530-1563. Mohr Siebeck, Tübingen 1981, S. 143 und 253.
  18. Hessisches Staatsarchiv Marburg (Bestand 17/1 Landgräflich Hessische Regierung Kassel, Nr. 652).
  19. Eberhard J. Nikitsch: DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004) – Nr. 304. urn:nbn:de:0238-di060mz08k0030407 (inschriften.net).
  20. Eberhard J. Nikitsch: DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004) – Nr. 296. urn:nbn:de:0238-di060mz08k0029604 (inschriften.net).
  21. Hier in Anm. 3 ungenau „Geltenhauer“ zugeordnet.
  22. Rudolf Schmitz, Herbert Schnitzler: Der Hofapotheker Cornelius Rasener (1474–1543) und der Humanistenkreis der Residenzstadt Koblenz. In: August Buck: Höfischer Humanismus. (Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung 16). Wiley-VCH (Verlag Chemie). Acta Humaniora, Weinheim 1989, S. 119–132, bes. S. 124.
  23. Antonius Adalberti (Albrechter) Goarinus (* um 1480; † 1537), vermutlich aus Sankt Goar, erzbischöflicher Hofgerichtsrat, 1513 Fuldischer Kanzler, seit 1525 landgräflich-hessischer Wartspfennig (Zolleinnehmer) in Boppard.
  24. Joseph Heinrich Gustav Ernst Förstemann, Otto Günther (Hrsg.): Briefe an Desiderius Erasmus von Rotterdam. (Zentralblatt für Bibliothekswesen. Beiheft 27). Harrassowitz, Leipzig 1904 (Kraus Reprint, 1968), S. 342 (550)(archive.org).
  25. Johann Christoph Wolf: Conspectus supellectilis epistolicae literariae. Felginer, Hamburg 1736, S. 122 (Google-Books).
Personendaten
NAME Dryander, Johann
ALTERNATIVNAMEN Eichmann, Johann (wirklicher Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Anatom, Arzt, Mathematiker und Astronom
GEBURTSDATUM 27. Juni 1500
GEBURTSORT Wetter
STERBEDATUM 20. Dezember 1560
STERBEORT Marburg



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