Scheich Bahauddin Amili oder Scheich Bahaʾi (Amili) (arabischبهاء الدين العاملي, DMGBahāʾ ad-Dīn al-ʿĀmilī; * 20. März 1546, Baalbek, Libanon; † 20. August 1622, Persien),[1] genannt Scheich Bahai (arabischالشيخ البهائي, DMGaš-Šaiḫ al-Bahā’ī bzw. persischشیخ بهائى, DMGŠaiḫ Bahā’ī), war ein schiitischer Theologe und Jurist (Mullah) sowie Dichter und Sufi im Persien der Safawidenzeit mit umfassenden Kenntnissen in Philosophie, Logik, Sternkunde, Mathematik und Architektur.
Er gilt als einer der Gründer der Schule von Isfahan.[2] In späteren Jahren war er einer der Lehrer von Mulla Sadra.[3] In seiner Abhandlung Anatomie des Himmels stellte Scheich Bahai die Möglichkeit der Rotation der Erde um ihre Achse dar.
Grab von Scheich Bahai
Leben und Werk
Scheich Bahai entstammte einer schiitischen Gelehrtenfamilie. Sein Vater war einer der prominenten Religionsgelehrten (Ulema) der Region Dschabal Amil im heutigen Südlibanon, der ihn im Alter von dreizehn Jahren mit in den Iran nahm, um der religiösen Verfolgung durch die Osmanen zu entgehen. Er studierte zunächst in Qazvin (der damaligen Safawiden-Hauptstadt), anschließend in Jerusalem bei Muhammad al-Maqdisī, dann in Herat (heute Afghanistan) und ließ sich schließlich in Isfahan (Iran) nieder.
Während seiner Pilgerfahrt nach Mekka suchte er viele Gelehrte zwecks Unterweisung auf und bereiste den Irak, Ägypten, den Hedschas und Palästina (Jerusalem), um sein Wissen über Religion und die Wissenschaft zu bereichern.
Er schrieb ungefähr hundert Abhandlungen und Bücher auf Arabisch und Persisch. Amili ist auch Verfasser von literarischen Werken und Gedichten. Viele Schüler wurden von ihm ausgebildet.
Er wurde vom Mullah zum Scheich al-Islam, d.h. höchsten Theologen, am Hof von Schah Abbas I. und zum Oberrichter (Obermullah) des höchsten religiösen Gerichts in der Hauptstadt Isfahan ernannt.
Er schrieb verschiedene Werke über eine Vielzahl von Disziplinen, wie Koranexegese, Hadith, Grammatik, Recht (Fiqh), Mathematik, Astronomie und Dichtung.
Verschiedene Bauwerke zu der Zeit der Safawiden wurden von ihm entworfen, darunter die königliche Moschee und eine angeblich mit nur einer Kerze betriebenen Heizung für ein Badehaus in Isfahan.[4][5]
Scheich Bahai wurde in Maschhad im Schrein des Imam Reza beigesetzt.
Mystik
Wie der israelische Gelehrte Etan Kohlberg in seinem Artikel der Encyclopædia Iranica herausgearbeitet hat, war Scheich Bahai auch ein Anhänger der Mystik. Für seine deutliche Sufi-Hinneigung wurde er von Mohammad Baqer Majlesi kritisiert.[6] Während seiner Reisen kleidete er sich wie ein Derwisch und verkehrte häufig in Sufi-Kreisen.[6] Er erscheint auch in der Kette der spirituellen Genealogien der beiden Sufiorden Nurbakhshi und Ne'matollahi.[6] In seiner Abhandlung über die Einheit der Existenz, d.h. des Konzeptes des wahdat al-wudschūd, erklärt er, dass die Sufis die wahren Gläubigen seien,[6] fordert eine unvoreingenommene Bewertung ihrer Äußerungen[6] und bezieht sich auf seine eigenen mystischen Erfahrungen.[6] Seine persische Dichtung ist auch voller mystischer Anspielungen und Symbole.[6] Gleichzeitig ruft Scheich Bahai zur strikten Einhaltung der Scharia als Voraussetzung für den Einstieg in den Tarīqa auf[6] und hält nicht viel von der antinomistischen Mystik.[6]
Abbas-Sammlung: Ein berühmtes Werk zum schiitischen Furūʿ al-fiqh (arabischفروع الفقه‚Die Verzweigungen des islamischen Rechts‘) ist sein auf Persisch verfasstes Werk Dschami'-i Abbasi (persischجامع عباسی, DMGǦāmiʿ-i ʿabbāsī, ‚Abbas-Sammlung‘), ein Handbuch aus der Zeit des Safawiden-Schahs Abbas I. (reg. 1587–1629) für schiitische Scharia-Prinzipien und -Gesetze.[7][8]
Bettlerschale: Als eines seiner Hauptwerke gilt Kaschkul (persischکشکول, DMGKaškūl, ‚Bettlerschale, Almosenschale‘) über Philosophie und Dichtung, eine Sammlung von Geschichten und Gedichten, die sich hauptsächlich auf die Religionsausübung der Sufi-Asketen beziehen.
Über das Fasten: In seiner von ihm verfassten Abhandlung über das Fasten (arabischشرح رسالة فى الصوم, DMGŠarḥ risāla fī ṣ-ṣaum) wird verboten, das Fleisch von Nicht-Muslimen (ahl al-kitab) getöteter Tiere zu essen.
Zu Gebet 43 des Sahifa as-Sadschadiyya: Sein Al-ḥadāʾiq aṣ-ṣāliḥīn fī šarḥ aṣ-ṣaḥīfa as-saǧǧādiyya (arabischالحدائق الصالحين في شرح الصحيفة السجادية‚Die Gärten der Tugendhaften in der Darlegung der Seiten der Gottesverehrung‘)[7] ist ein Kommentar zu Gebet Nr. 43 des Sahifa as-Saddschadiyya, einer für die Schiiten bedeutenden Sammlung von Bittgebeten, die dem vierten Imam Ali Zain al-Abidin der Schiiten zugeschrieben wird.[7]
Brot und Süßigkeiten & Milch und Zucker: Seine sufistischen Masnawī-Dichtungen Brot und Süßigkeiten (persischنان و حلوا, DMGNān wa ḥalwā, ‚Brot und Halva‘) sowie Milch und Zucker (persischشير و شكر, DMGŠīr-u šikar) beschreiben das muslimische religiöse und soziale Leben.
Anatomie des Himmels: Seine Anatomie des Himmels (arabischتشريح الاَفلاك, DMGTašrīḥ al-aflāk) ist eine astronomische Abhandlung in fünf Abschnitten und beschreibt die Theorie der Struktur des Universums. Er stützt darin die Ansicht über die Rotation der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne. Das Werk wurde mehrfach kommentiert.
Summa der Arithmetik: Seine Summa der Arithmetik (arabischخلاصة الحساب, DMGḪulāṣat al-ḥisāb) ist eine als elementares Mathematik-Lehrbuch verfasste Übersicht über die neuen Errungenschaften der arabischen und persischen mathematischen Forschung. Das Werk wurde ins Persische und ins Deutsche übersetzt.[9][10]
Vierzig-Hadith-Zusammenstellung: Seine Vierzig-Hadith-Zusammenstellung (kurz: arabischاربعین, DMGArbaʿīn) ist eine kommentierte Zusammenstellung von vierzig dem Propheten Mohammed zugeschriebenen Überlieferungen.
Über Divination: Sein Werk Über göttliche Eingebung (Wahrsagekunst) (persischفالنامه, DMGFāl-nāme) ist ein zu diesem Thema verfasstes Werk.
Arabische Grammatik: Sein Werk Al-fawāʾid aṣ-ṣamadiyya (arabischالفوائد الصمدية‚Die immerwährenden Vorteile‘, auch „Der immerwährende Nutzen“) ist eine arabische Grammatik.
Essenz der Grundlagen (der Rechtswissenschaft): Sein Werk Zubdat al-uṣūl (زبدة الأصول‚Die Auslese der Prinzipien‘) stellt, wie sein Titel besagt, eine Essenz der Grundlagen der Rechtswissenschaft dar.
Wissenschaft der Hadith-Tradition: Sein auch unter einem anderen Titel bekanntes Werk al-Wadschīza (arabischالوجيزة, DMGal-waǧīza‚Der kurze Abriss‘) hat die Wissenschaft der Hadith-Tradition zum Gegenstand.[7]
Abhandlung über die Einheit der Existenz: In seiner Abhandlung über die Einheit der Existenz (kurz: arabischرسالة في الوجودية, DMGRisāla fī l-wuǧūdiyya) erklärt er Etan Kohlberg zufolge, dass die Sufis die wahren Gläubigen seien,[6] fordert eine unvoreingenommene Bewertung ihrer Äußerungen[6] und bezieht sich auf seine eigenen mystischen Erfahrungen.[6][11]
Verschiedenes
Scheich Bahai ist bei Schiiten und Sufis gleichermaßen angesehen. Iranische Historiker betrachten ihn als einen der wichtigsten Vertreter der islamischen Erweckungsbewegung, als einen Mudschaddid („Erneuerer“).[12]
Verschiedene seiner Werke sind Bestandteil des Madrasa-Curriculums der Safawiden und des Dars-i-Nizami-Curriculums.[13]
Die Scheich-Bahai-Universität[14] in Isfahan wurde nach ihm benannt.
Clifford Edmund Bosworth und Devin Stewart haben sich in neuerer Zeit um die Erforschung seines Werkes verdient gemacht.
Ausgabe seiner Werke
Das iranische Zentrum der Wiederbelebung islamischer Werke (persischمركز احياى آثار اسلامى, DMGMarkaz-e eḥyā'-ye ās̱ār-e eslāmī) veröffentlicht seit neuerer Zeit ein 30-bändiges Kompendium seiner arabischen und persischen Werke (persischمجموعهٔ آثار شيخ بهائى, DMGMaǧmu‘e-ye ās̱ār-e Šayḫ Bahā’ī, wörtl. Kompendium der Werke Scheich Bahā’īs), zusammen mit einigen Begleitbänden zum Verfasser und seinen Schriften.[15]
@1@2Vorlage:Toter Link/www.hurqalya.pwp.blueyonder.co.uk(Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Bahā' al-Dīn al-`Āmilī = Shaykh Bahā'ī) (ausführliche Bibliographie).
Clifford Edmund Bosworth: Baha al-din al-Amili and his literary anthologies. University of Manchester, Manchester, 1989 (Review).
Devin Stewart: Taqiyyah as Performance: the Travels of Baha' al-Din al-`Amili in the Ottoman Empire (991-93/1583-85). In: Princeton Papers in Near Eastern Studies. 4, 1996, S. 1–70 (siehe auch CV).
Behnaz Hashemipour: ʿĀmilī: Bahāʾ al‐Dīn Muḥammad ibn Ḥusayn al‐ʿĀmilī. In: Thomas Hockey et al.: The Biographical Encyclopedia of Astronomers. Springer, New York 2007, ISBN 978-0-387-31022-0, S. 42–3 (islamsci.mcgill.ca PDF).
Fuat Sezgin (Hrsg.): Bahāʾ al-Dīn al-ʿĀmilī, Muḥammad Ibn Ḥusayn: texts and studies Institute for the History of Arabic-Islamic Science at the Johann Wolfgang Goethe University Frankfurt am Main. Frankfurt am Main: Inst. for the History of Arab.-Islamic Science. 1998.
Jalal S. A. Shauky: Mathematical Works of Baha' al-Din al-Amili. Aleppo 1976.
B.A. Rosenfeld, E. Ihsanoglu: Mathematicians, Astronomers & Other Scholars of Islamic Civilisation and their Works (7th-19th Centuries). Istanbul 2003.
Angaben zu den Lebensdaten nach global.britannica.com:Bahāʾ ad-dīn Muḥammad ibn Ḥusayn al-ʿĀmilī.(Nicht mehr online verfügbar.)EhemalsimOriginal;abgerufen am 29.August 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/global.britannica.com(Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) – Es gibt auch die Angaben 1547–1621 (z.B. Encyclopædia Iranica oder hurqalya.pwp.blueyonder.co.uk).
Die Isfahaner Schule, benannt nach Isfahan, der Hauptstadt der Safawiden, war von großem Einfluss auf Kunst und Philosophie im Iran.
Peter Lamborn Wilson, Karl Schlamminger: Weaver of Tales. Persian Picture Rugs / Persische Bildteppiche. Geknüpfte Mythen. Callwey, München 1980, ISBN 3-7667-0532-6, S. 89 f.
E. Kohlberg, Encyclopaedia Iranica: “speaks of the Sufis as true believers, calls for an unbiased assessment of their utterances, and refers to his own mystical experiences.”
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