Der Bamberg-Refraktor ist ein Großteleskop. Das Linsenfernrohr hat eine Öffnungsweite von 320 Millimetern, eine Brennweite von fünf Metern und befindet sich in der Wilhelm-Foerster-Sternwarte im Berliner Ortsteil Schöneberg.
Bamberg-Refraktor (Berlin) | |
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![]() Der Bamberg-Refraktor in der großen Kuppel der Wilhelm-Foerster-Sternwarte (2022) | |
Daten | |
Ort | Insulaner, Berlin-Schöneberg |
Baumeister | Carl Bamberg |
Baujahr | 1889 |
Koordinaten | 52° 27′ 26,7″ N, 13° 21′ 4,3″ O52.45742613.351183 |
Besonderheiten | |
Größter Refraktor Preußens |
Die Bezeichnung „Bamberg“ geht auf den Erbauer des Fernrohrs, Carl Bamberg, zurück, und der Begriff „Refraktor“ (lateinisch re = ‚zurück‘ und frangere = ‚brechen‘) besagt, dass das Fernrohr ausschließlich mit lichtbrechenden optischen Linsen ausgestattet ist und keine Spiegel oder Zonenplatten verwendet.
Das 12-Zoll-Fernrohr wurde 1889 in den Berliner Werkstätten von Carl Bamberg in der Friedenauer Bundesallee gebaut, war damals das größte Teleskop im Königreich Preußen und nach dem Refraktor am Observatoire de Strasbourg das zweitgrößte im Deutschen Reich. Es zeichnete sich durch eine sorgfältige Herstellung, eine große Brennweite und moderne Steuerungstechnik aus. Zur weitgehend automatischen Nachführung des Fernrohrs entsprechend dem Stundenwinkel des zu beobachtenden Objekts wurde eine elektrische Uhr eingesetzt. Die Linsen wurden aus hochwertigen Gläsern des Glastechnischen Laboratoriums Schott & Genossen in Jena gefertigt.[1] Die Gesamtkosten beliefen sich auf 50.000 Mark, was 250 Kilogramm Silber entsprach (Anmerkung: Diese Silbermenge entspricht gut 8.000 Feinunzen mit einem Marktwert (Stand 2018/2019) von gut 100.000 Euro).
Zunächst stand es nicht nur für Forschungszwecke, sondern vor allem für die Öffentlichkeit in der Sternwarte der Urania an der Invalidenstraße in Berlin zur Verfügung, die mit einer elektrisch bedienbaren Kuppel ausgestattet war. Mit dem Refraktor entdeckte der Astronom Gustav Witt 1896 und 1898 die Asteroiden (422) Berolina und (433) Eros.
Im Zweiten Weltkrieg wurde zwar das Gebäude stark beschädigt, die Glaslinsen blieben allerdings unbeschädigt. Das Teleskop konnte 1951 geborgen werden und wurde von den Askania-Werken in Berlin-Mariendorf instand gesetzt. 1955 wurde es als das größte betriebsfähige Fernrohr in Berlin auf dem Gelände der Sternwarte des Wilhelm-Foerster-Instituts in der General-Pape-Straße in Berlin aufgestellt, das seit 1947 in der Halbruine eines ehemaligen Offizierskasinos von den beiden Berliner Amateurastronomen Hans Rechlin und Hans Mühle aufgebaut und im Juni 1953 in den Verein Wilhelm-Foerster-Sternwarte überführt wurde. Der Bamberg-Refraktor wurde dort ebenfalls für öffentliche Vorführungen, aber auch zur Ausbildung von Astronomen verwendet.[2] Die Lichtverschmutzung durch die nahe gelegenen Bahnanlagen am Südkreuz erwies sich für die nächtlichen Himmelsbeobachtungen jedoch als ungünstig, so dass ein neuer Standort gesucht wurde.
Im November 1961 erfolgte die Grundsteinlegung der mit Mitteln der Deutschen Klassenlotterie Berlin gebauten Wilhelm-Foerster-Sternwarte auf dem Insulaner in Berlin-Schöneberg, der nach dem Krieg als Trümmerberg zu einer Höhe von gut 78 Metern aufgeschichtet wurde. Im Jahr 1962 führte Askania in Berlin-Mariendorf eine Generalüberholung des Teleskops durch, und seit der Eröffnung der Wilhelm-Foerster-Sternwarte am 30. Januar 1963 ist der Refraktor in der größten Kuppel der Volkssternwarte das wichtigste und am häufigsten eingesetzte Instrument für Vorführungen des Vereins.[3] Die bewegliche Kuppel mit einem Durchmesser von elf Metern stammt aus dem Jahr 1905. Sie wurde in den Berliner Zeiss-Ikon-Werken in Berlin-Friedenau nicht mehr benötigt und der Sternwarte überlassen.
Mit dem Bamberg-Refraktor fertigten Adolf Voigt und Hans Giebler der Gruppe Berliner Mondbeobachter von 1964 bis 1969 die Rollfilm-Aufnahmen für den Berliner Mond-Atlas an, die inzwischen als Digitalisat zur Verfügung gestellt werden.[4] Im Rahmen des US-amerikanischen Moonwatch-Programms wurden unter der Leitung von Harro Zimmer Satellitenorbits beobachtet. Heute wird der große Refraktor hauptsächlich für öffentliche Vorführungen eingesetzt.[5]
Neben dem Rathenower Refraktor, dem Großen Refraktor in Potsdam und dem Großen Treptower Refraktor der Archenhold-Sternwarte gehört der Bamberg-Refraktor nach wie vor zu den großen Teleskopen im Berliner Raum. Er ist das älteste funktionsfähige Großteleskop mit Linsen in Europa.[6]
Der Bamberg-Refraktor wurde nach dem Prinzip des Kepler-Fernrohrs mit einem optisch korrigierten Objektiv aus Flint- und Kronglas konstruiert. Die Gläser von Schott sind gewöhnliche Silikat-Gläser, die allerdings sehr aufwändig und besonders sorgfältig verarbeitet wurden, so dass sie spannungsfrei und optisch rein aus der Schmelze erstarren konnten.
Aus der Öffnungsweite und der Brennweite ergibt sich eine Lichtstärke von knapp 16. Die Lichtstärke reicht aus, um Objekte bis zur 14. Größenklasse beobachten zu können.[7] Je nach verwendetem Okular wird das Fernrohr meist mit Vergrößerungen von 70-fach bis 700-fach betrieben.[8]
Mit Montierung und Ausgleichsgewicht wiegt das Instrument viereinhalb Tonnen. Es ist so austariert, dass es auch ohne Motoren von Hand bewegt werden kann.[9]
Das ebenfalls als Bamberg-Refraktor bezeichnete Fernrohr des Bosscha-Observatoriums in Indonesien hat eine Brennweite von sieben Metern, einen Durchmesser von 370 Millimetern (Öffnungsverhältnis = 1/19) und wurde erst im Jahr 1927 in Berlin in Auftrag gegeben. Die vergleichsweise großen und dünnen Linsen dieses langbrennweitigen Teleskops verursachen bei einem Lagewechsel des Fernrohrs eine optische erkennbare Verformung der Linsen, die durch ihr eigenes Gewicht bedingt ist.[10]